„Was es braucht, ist ein grundlegendes Konzept zum professionellen Umgang mit Heterogenität!“
GMS Neubulach sieht sich für die schulischen Folgen von Corona sehr gut aufgestellt.
Wie ist die Situation an der GMS Neubulach?
„Wir sehen, dass unser Fernunterricht im Vergleich zu vielen anderen Schulen klar strukturiert und unterm Strich sehr gut organisiert ist. Die Schüler/innen werden in allen Klassen durch Videounterricht eng begleitet und unterstützt. Das führt dazu, dass viele unserer Schüler/innen trotz Schulschließung sehr fleißig und diszipliniert zuhause lernen und arbeiten – natürlich auch, weil sie durch ihre Eltern häufig enorm unterstützt werden. So „galoppieren“ sie in vielen Fällen sogar. Sie übernehmen freiwillig Zusatzarbeiten und profitieren teilweise vom Fernlernen. Aber es gibt bei uns natürlich auch Schüler/innen, die teilweise schlecht zu erreichen sind und zuhause keine oder wenig Hilfe bekommen können.“ erläutert Jan Pflugmacher, Klassenlehrer der 6d.
Was bedeuten die Schulschließungen für „das Niveau“ in den Schulklassen?
„Das führt dazu, dass insgesamt die Heterogenität innerhalb der Klassen zunimmt“ ergänzt Konrektorin Nadine Waidelich. „Das ist aber an sich kein Problem und sicherlich kein Grund zur Sorge. Es verstärkt nur eine Entwicklung, die ohnehin schon immer da war: „Das Niveau“, das für alle Schüler/innen gleich ist, gab es noch nie! Die Schüler/innen waren, egal in welcher Schulart, schon immer unterschiedlich weit in den einzelnen Fächern. Sie hatten schon immer unterschiedliche Stärken und Schwächen und es gehört zum Auftrag einer modernen Schule, sie auf ihrem individuellen Entwicklungsstand abzuholen und sie – egal ob Stärke oder Entwicklungsfeld – auf ihrem jeweiligen Niveau zu fördern, so dass Bildungsstandards erreicht und übertroffen werden können. Es stellt sich deshalb die Frage, wie Schulen mit der Frage der Heterogenität konzeptionell umzugehen in der Lage sind. Hier haben wir an der GMS Neubulach ein sehr erfolgreiches Konzept, in dem wir schauen, wo die Schüler/innen „stehen“ und wo wir gemeinsam ansetzen müssen. So können wir das Lernen eng auf ihre Entwicklungen abstimmen.“
Bild: Regelmäßige Coaching-Gespräche erleichtern die gezielte Förderung der Schüler/innen - auf allen Niveau-Stufen.
Wie sieht die Konzeption an der GMS Neubulach konkret aus?
Ein zeitgemäßer und erfolgreicher Unterricht basiert nicht auf der bloßen Vermittlung von „Stoff“ und dem Lernen „im Gleichschritt“. Vielmehr sind differenzierte Angebote und eine differenzierte Diagnostik notwendig, um der Unterschiedlichkeit der Schüler gerecht zu werden. „Wir nutzen intensiv die Diagnosearbeiten „Lernstand 5“. Das machen zwar alle Schulen, doch der Knackpunkt ist in unseren Augen, was mit den Ergebnissen passiert. Bei uns kommt den Ergebnissen eine große Bedeutung für die Schwerpunktsetzung unserer Arbeit zu und wir stimmen die Förderung unserer Schüler/innen direkt darauf ab. Aber wir verlassen uns nicht alleine auf „Lernstand 5“, zusätzlich setzen wir auch standardisierte Testverfahren, z.B. bei der Diagnostik von LRS oder im Bereich der Hochbegabung ein, deren Ergebnisse dann wiederum in die Konzeption der entsprechenden Fördermaßnahmen einfließen.“ betont Lehrerin Antje Braun.
Zum Konzept des Förderns und Forderns der Schüler/innen gehört auch die Möglichkeit, dass in der Regel gemeinsam mit den Eltern die Niveaustufen in den Hauptfächern festgelegt werden, auf denen die Schüler/innen in nächster Zeit arbeiten. Die Gemeinschaftsschule hat den Vorteil, dass sie durch die Flexibilität in den Lernniveaus auf aktuelle persönliche oder (wie bei Corona) gesellschaftliche Entwicklungen schnell und unkompliziert reagieren kann.
Die Förderung umfasst allerdings nicht nur Fragen der Inhalte, sondern auch die Frage nach Selbständigkeit, Eigenverantwortung und den Umgang mit möglichen Freiheiten im Lernprozess. „Wir werden immer wieder mit dem Klischee konfrontiert, dass die GMS nur für Schüler/innen geeignet sei, die bereits top selbständig und bestens organisiert arbeiten könnten. Das ist Quatsch! Wir haben das Ziel, dass wir die Kinder und Jugendlichen zu Selbständigkeit und Selbstverantwortung hinführen. Wer in diesem Bereich Hilfe braucht, der bekommt diese auch. Das reicht von einer unterstützenden Begleitung und konkreter Hilfe bis hin zu einem „pädagogischen Tritt in den Hintern“, falls es einen solchen einmal braucht“ ergänzt Schulleiter Bernhart. „Da hilft es natürlich, wenn die Lehrkräfte sehr eng an ihre Schüler/innen und ihren Entwicklungen dran sind – auch durch die regelmäßigen Coaching-Gespräche.
Erfolge bestätigen das Konzept
„Die Konzeption ist nicht nur fachlich fundiert und klingt „pädagogisch gut“, sondern sie hat sich in der Praxis bewährt. Das zeigen die Erfolge im täglichen Schulalltag, die Rückmeldungen von weiterführenden Schulen (z.B. Berufliche Gymnasien) und von Ausbildungsbetrieben und nicht zuletzt das hervorragende Abschneiden in den Abschlussprüfungen, in den VERA-Vergleichsarbeiten und das sensationelle Ergebnis im IQB-Bildungstrend.“ freut ich Schulleiter Bernhart.
Bild: Hervorragendes Abschneiden der Schüler/innen an der GMS Neubulach beim IQB-Bildungsmonitoring 2019.
Stärkung der Hauptfachstunden
Als Reaktion auf die Corona-Situation hat die GMS Neubulach im laufenden Schuljahr die Stunden in den Hauptfächern in Klassenstufe 5 von den vorgeschriebenen 4 Stunden pro Fach auf 5 erhöht und teilweise Doppelbesetzungen eingeführt. Um das zu ermöglichen, wurden die Stunden für die Wahlkurse von 6 auf 4 gekürzt und eine IL-Stunde in einer Hauptfachstunde umgewandelt. In den so gewonnenen Stunden können individuell Themen aufgearbeitet werden, die aufgrund des Fernunterrichts noch nicht optimal sitzen. Gleichzeitig ist die Zeit da, um die leistungsstarken Schüler/innen weiter mit „Futter“ zu versorgen und sie auf ihren Niveaus weiter zu fördern. Hierfür ist die Teilnahme der Schule an der Bundesinitiative zur Begabtenförderung (LEMAS) ein großer Vorteil. Für das kommende Schuljahr ist geplant diese Regelung beizubehalten.
Positives Fazit
Insgesamt kommt die GMS Neubulach zu einem positiven Fazit: „Wie im ersten Lockdown auch geben wir als Kollegium der GMS Neubulach unser Bestes, um jeden Schüler und jede Schülerin zu erreichen. Das bezieht sich sowohl auf die Kontakterhaltung als auch auf den Bereich der inhaltlichen und stoffbezogenen Arbeit. Durch die Bereitstellung von zusätzlichen Stunden in den Hauptfächern, konnten wir vereinzelte Defizite aufarbeiten und wir sehen im Fernlernunterricht, dass die Kinder gut mitmachen und gewissenhaft arbeiten. Somit sind wir planerisch im Soll der Jahrgangsstufe 5 und sehen keine großen Probleme beim Erreichen der Bildungsstandards." betont Klassenlehrerin Meike Bungarz.
Augen auf bei der Schulwahl
Für Schulleiter Dominik Bernhart ist die Frage der Schulwahl eine Frage nach der Wahl des Systems: „Ich kann allen Eltern nur raten, sich mit den weiterführenden Schulen dahingehend zu unterhalten, ob es die Möglichkeit einer individuellen Förderung – egal ob „nach oben“ oder „nach unten“ – konzeptionell vorgesehen ist. Eine Schule, die den Kindern möglichst gut gerecht werden kann, ist in der Regel eine Schule, in der Frustration, Misserfolge und allzu großer Druck vermieden werden können. Denn das sind doch die Faktoren, die für die Stärkung der Persönlichkeit der Kinder eine zentrale Rolle spielen: Aufbau von Selbstbewusstsein, einer positiven Lernmotivation und das Gefühl „Da gehe ich gerne hin!“. Das ist dann eine gesunde Grundlage für die Lernprozesse und den Kompetenzerwerb der Schüler, die von der Überzeugung getragen wird: „Ich kann das!“